Chronik
Der Kanusport in Gera
von Gerhard Lange
Die Suche nach dem Anfang
Anlässlich der bevorstehenden Feier „125 Jahre Sport in Zwötzen“ wurde ich von der TSV Leitung beauftragt, nach den Anfängen des Kanu Sports in Gera zu suchen und eine Chronik zu erstellen.
Ich stand praktisch vor einem Nichts, wusste nicht, wo anfangen. Eine Gründungsurkunde eines Geraer Kanuvereins wurde bis heute noch nicht gefunden. So fing ich an, ältere Bürger in Zwötzen zu befragen, unter anderen, den Ortschronisten Herrn Weibrecht. Von ihm bekam ich wertvolles Bildmaterial und einen Artikel, den er in einer regionalen Zeitung in Zwötzen veröffentlicht hatte.
Durch diesen Zeitungsartikel, mit genauer Datumsangabe ihres neuen Bootshauses, konnte ich im Stadtarchiv untenstehenden Artikel der damaligen Geraer Zeitung ausfindig machen. Durch die Formulierung „ihres neuen Bootshauses“ könnte man entnehmen, dass der Kanusport schon vor dem Jahr 1930 entstanden ist.
1925 – 1945
Die Mitarbeiter des Stadtarchivs Gera suchten nach Unterlagen und Kanusportdokumenten. Sie fanden untenstehendes Bild mit den dazu gehörigen Daten. Demnach wurde Kanusport zwischen den Jahren 1920 und 1930 betrieben. Ältere Bürger erzählten mir, dass sie im Jahr 1925 schon Kanusportler auf der Weißen Elster gesehen haben. So haben wir, obwohl es zur Zeit noch keine Gründungsurkunde gibt, das Gründungsjahr auf 1925 festgelegt.
Nach und nach fand ich immer mehr Quellen mit Bilddokumenten aus jener Zeit. Vor allem von Eberhard Böttger, dessen Vater der wahrscheinlich letzte Vereinsvorsitzende vor dem zweiten Weltkrieg war, erhielt ich wertvolle Hinweise.
Das Bootshaus von 1930 befand sich auf dem Grundstück des Gastwirtes Max Köhler, Inhaber der Gaststätte „Zur Eisenbahn“ in der Pfarrstraße. Heute befindet sich dort die Gaststätte „Zur grünen Krähe“ Erst später erfuhr ich von der Existenz eines zweiten Bootshauses, auf dem Grundstück der Gaststätte „Zum Ross“, hinter der ehemaligen Filmbühne. Inhaber war der Gastwirt Alfred Gruber. Heute ist das Gelände im Besitz der Familie Jeuthe.
Der Wassersportverein „Faltbootfreunde Gera“ erhielt im Jahre 1930 in Gera- Zwötzen ein neues Bootshaus auf dem Grundstück des Gastwirts Max Köhler, Inhaber der Gaststätte „Zur Eisenbahn“, der späteren Eisdiele, heute Gaststätte „Zur grünen Krähe“.
Aber was war vorher? Gab es da schon einen Verein oder war es der Neuanfang in Gera? Nach den Aufzeichnungen von Ursula und Christian Altenhofer, in ihrem Buch, „Der Hadernkahn“, war es der Schotte John Mac Gregor, der ab 1865 mit einem starren Holzkajak Wasserwanderungen an den Meeresküsten und den Deutschen Flüssen wie Mosel, Rhein und Donau unternahm. Kajakähnliche Boote sah man in Deutschland bei Halle auf der Saale schon 1821, in Leipzig 1851 auf Elster und Pleiße; und auf der Elbe legten Wassersportler schon 1863 eine längere Strecke im Kajak zurück. Im Jahr 1905 baute Alfred Heurich das erste Faltboot in Kajakform in Deutschland.
Der Fund eines Fotos mit seinen technischen Daten im Geraer Stadtarchiv, sowie die Befragung von älteren Bürgern aus Zwötzen (Zeitzeugen), geben die Gewissheit, dass Kanusport nachweislich schon 1925 in Gera betrieben wurde. Dazu kommt noch die Existenz des zweiten Bootshauses auf dem Grundstück der Gaststätte „Zum Ross“, vom Inhaber Alfred Gruber, heute im Besitz von „Wohnwagen – Jeuthe“. Nach Aussagen von Sportfreundin Brigitte Hirsch und Sportfreund Rudi Rothe, die das Bootshaus noch gekannt haben, war es ein barackenähnliches Gebäude aus Holz. An den Namen des Vereins konnten sich beide nicht erinnern. Sportfreund Rudi Rothe übergab mir ein Bild aus dem Jahr 1943, worauf er mit dem damaligen, vermutlich letzten Vereinsvorstand, Robert Böhme zu sehen ist. Robert Böhme sollte 1943 noch in die Hitlerarmee eingezogen werden, er zog den Freitod vor. Nach Aussagen des Sportfreundes Eberhard Böttger, ehemals Mitglied der Geraer Faltbootfreunde, lösten sich beide Vereine nach dem 2. Weltkrieg auf. Einige Mitglieder kamen nicht aus dem Krieg zurück, andere verschlug es in eine andere Gegend, andere hörten mit dem Sport auf. Auch über diese Zeit konnte mir niemand etwas Konkretes sagen.
Auf dem Bild rechts ist der junge Sportler Rudi Rothe zu sehen. Links daneben steht der wahrscheinlich letzte Vereinsvorsitzende von dem Bootshaus auf dem Gelände der Gaststätte „Zum Ross“, Robert Böhme. Dieses Foto von 1943 wurde bei einem Wettkampf (Rennkanu) in Bernburg gemacht. Rudi Rothe gehörte nach dem Krieg zur Gruppe um Erwin Weinschenk.
Der Neuanfang 1946
Nach Aussagen von Sportfreund Lothar Kickeritz, haben er und Erwin Weinschenk den Verein 1946 neu gegründet. Erwin Weinschenk stammte aus Münschhausen bei Stuttgart. Er wurde durch eine schwere Kriegsverletzung in ein Lazarett nach Gera verschlagen. Die Nutzung des Bootshauses hinter der Filmbühne wurde ihnen nicht mehr gestattet. Bei der BSG Fortschritt Gera Zwötzen wurde ihnen der Hohlraum unter der Turnhalle zum unterstellen der Boote zugewiesen. Der Hohlraum musste erst auf Stehhöhe ausgeschachtet werden. Die Erde wurde im Bereich der heutigen Freizeitanlage abgelagert. Der entstandene Raum entsprach der Größe des heutigen Aufenthaltsraumes. Der Eingang war auf der Giebelseite des Hauses durch den Keller. Im April 1947 wurde auf Initiative von Lothar Kickeritz, die Tür, so wie sie heute noch ist, hinein gebrochen.
Erwin Weinschenk war der Vereinsvorsitzende und Trainer der neuen Sportart „Kajak – Slalom“. Hermann Schättler war für das Kanuwandern zuständig.
Der Besuch von Kajak – Slalom – Lehrgängen in Hartenstein (Mulde) und im Steinicht (Weiße Elster), und die außergewöhnlich große Anzahl von Talenten, ließ sie bald zu den führenden Vereinen in der damaligen Ostzone aufschließen.
Das Bootsmaterial für Wettkampf und Wandersport bestand anfangs aus normalen Wanderfaltbooten, die den Krieg überlebt hatten. Mehrere Sportfreunde mussten sich ein Boot teilen. Erst später bekamen sie, wie alle anderen Vereine auch, die Faltboot Slalomboote von der Bootsbaufirma Horst Hartung aus Halle.
Die Sportart Kanu-Slalom
Kanu- Slalom ist eine verhältnismäßig junge Sportart. Berichten aus älteren Kanusport Zeitungen der DDR zufolge, gehörte Rudi Landgraf aus Zwickau zu den Initiatoren im Mitteldeutschen Raum. Er war es, der 1936, nachdem er über Slalom Wettkämpfen auf dem Wasser in der Schweiz gelesen hatte,
sofort daran ging, auch in Deutschland diese Sportart zu entwickeln. Sie nannte sich damals Kajak- Slalom.
Im Frühjahr 1936 wurde der erste Deutsche Kanu-Slalom in Zwickau ausgetragen. 1937 folgte der erste Internationale an gleicher Stelle.
Auch in München entwickelte sich Kanu- Slalom, durch Theo Bock und Carl Josef Luther, zu dieser Zeit zu einer Slalom Hochburg.
Nach und nach verbreitete sich die Sportart auch im Flachland, wo nicht unbedingt Wildwasser anzutreffen ist.
1949 fanden in Genf (Schweiz) die ersten Weltmeisterschaften statt.
In Gera wurde nach dem 2. Weltkrieg begonnen, Kanu- Slalom zu betreiben. Erwin Weinschenk war dabei Initiator, Organisator und Trainer zugleich.
Der erste Slalom Wettkampf fand am 7. Mai 1950 am Liebschwitzer Wehr statt.
Erfolge der aus Gera stammenden Sportler von der Ära Weinschenk:
– Karl Schröder wurde 10 x Deutscher Meister und einmal Weltmeister
– 2. Platz Arkansas River Rennen, 1. Platz WW- Fraser- Rennen in Kanada, 260 km
– 1968 „Silbernes Lorbeerblatt“ durch Bundespräsident verliehen (Höchste Sportauszeichnung)
– Sigrid Schneider wurde mehrfache DDR Meisterin und einmal gesamt Deutsche Meisterin.
– Gudrun Krieger und Gertrud Sellner wurden beide DDR Jugendmeister.
Leider habe ich beim schreiben dieser Zeilen nicht den Einblick in die Liste der damaligen Erfolge. Da kommt mir die Statistik von Rudi und Lona Landgraf zu Hilfe, die das eigentliche Gerüst dieser Chronik bildet. Aus der jährlichen Auswertung dieser Statistik ist zu erkennen, welchen Stellenwert die einzelnen Vereine haben. Aber ich habe auch Artikel von Wettkämpfen, Meisterschaften, national und international gefunden, wo Namen wie Karli Schröder, Siegried Schneider, Gudrun Krieger, Wolfgang Römer, Werner Poser, Rudi Rothe, Gertrud Sellner, alle Gera, auftauchen. Auch Rosi Riedel geb. Krüger gehört unbedingt zu der erfolgreichen Ära dazu, machte sie doch als erste Frau in der DDR die Kenterrolle. Sie war die Einzige, die dem Verein bis an ihr Lebensende treu geblieben ist. Aber auch von vielen schönen Wanderfahrten wurde mir berichtet, von Schmilka an der Elbe bis zur Ostsee wurde die DDR auf dem Wasserwege erwandert. Ab dem Jahr 1954 werden die Eintragungen in den Statistiken von Rudi Landgraf, was den Verein Fortschritt Gera betrifft, seltener. Einige Sportfreunde sind nach den „Westen“ gegangen, einige sind in andere Städte umgezogen. Einige Sportfreunde, wie Hermann Schättler, Siegfried und Brigitte Hirsch und Gudrun Krieger, gingen in den neu gegründeten Verein von Herbert Öser nach Wünschendorf. Dabei waren noch vereinseigene Boote da. Der Vereinsvorsitzende Erwin Weinschenk war auch noch im Amt. Zugegeben, das Hochwasser 1954 hatte viel Schaden angerichtet. Meiner Meinung nach, war es aber nicht allein Schuld, an den Auflösungserscheinungen der Abteilung. Das Bootshaus wurde auch wieder flott gemacht. Ich kam im Sommer 1955 zum Verein und traf da Hans Frey, Gertrud Sellner, und noch einige, an deren Namen ich mich nicht erinnere. Ich glaube, es war der Mangel an Jugendlichen, die hätten weitermachen können, als die älteren Sportfreunde gingen. Ich trainierte mit dem Rest der Truppe, ohne im Verein angemeldet zu sein, noch ca. 4 Wochen mit. Dabei paddelten wir meist zum Debschwitzer Wehr. Die Schäden vom Hochwasser 1954 waren noch nicht restlos beseitigt. Das Wasser floss links am Wehr vorbei durch den defekten Damm der Umflutrinne, wobei ein für unsere Verhältnisse zünftiges Wildwasser entstand. Dann ging Gertrud Sellner (Seele) auch nach dem Westen (später nach Amerika) und Hans Frey beendete seine Kanulaufbahn. Ich paddelte noch Erwin Weinschenks Privatboote vom Bootshaus zu seinem Garten in Taubenpreskeln, wo er sich einen Bootsschuppen gebaut hatte. Am 1. Juli 1956 meldete ich mich mit Gerda beim Kanuverein in Wünschendorf an. Kurze Zeit später verschenkte Erwin Weinschenk die noch verbliebenen Vereins – Slalom – Boote dem Verein in Wünschendorf. Ich glaube es waren 4 Kanu – Slalom – Faltboote der Firma Hartung sowie ein Gerüst und ein starrer Renneiner.
Eine große Ära in der Geschichte des Kanusports des damaligen Vereins war zu Ende.
Der Verfasser dieser Chronik hatte 1955 den ersten Kontakt zum Verein Fortschritt Gera. Das Bild zeigt ein Slalomfaltboot von der Firma Horst Hartung, 4,2 m lang, noch mit spitzer Sitzluke. Das Beste, was es damals zu dieser Zeit gab.
Der Neuanfang 1961
Im Oktober 1961 sprach mich Erwin Weinschenk an, ob ich beim Wiederaufbau einer Kanuabteilung in Gera- Zwötzen mit helfen möchte. Erwin Weinschenk, war der erfolgreiche Leiter und Trainer der Kanugeneration von 1947- 1955. Meine Frau Gerda und ich, wir waren seit Juli 1956 bei der Kanuabteilung Stahl Wünschendorf organisiert. Der damalige Vereinsvorsitzende Herbert Oeser hatte aus familiären Gründen sein Amt niedergelegt, so dass der Verein kurz vor dem Aus stand. So sagten wir kurz entschlossen zu, obwohl es für uns eine ungünstige Zeit war. Wir hatten uns in einer Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft angemeldet wo es jede Menge Arbeitsstunden zu machen gab. Außerdem war in unserer Familie Nachwuchs unterwegs. Durch Werbung in der Zeitung und von Mund zu Mund Propaganda, fanden sich bald eine stattliche Anzahl Mitmacher ein. Mitglieder der ersten Stunde waren unter anderem: Lothar, Liesbeth, Uwe und Edda Schattke, Horst und Monika Dietsch, Otto, Rosi und Christine Riedel, Hermann Schättler, Manfred Elschner, Hans Haubenreißer, er baute die beiden Bullaugen im Aufenthaltraum, Horst Zergiebel und Helga Stadler, Ingrid Grötsch. Etwas später kamen dazu: Norbert Kompalla und Karin, Gerd und Gerlinde Schmidt, Wilfried und Wolfgang Möller, Dieter und Helga Ossmann mit ihren beiden Söhnen, Horst Winkler. Wolfgang Wilhelmi und Bernd Hoy. So gab es erst einmal jede Menge Arbeit. Das Bootshaus unter der Turnhalle wurde einer gründlichen Sanierung unterzogen. So wurde der gesamte Raum unter der Turnhalle auf Stehhöhe ausgeschachtet, die Bruchsteinmauern mit Ziegeln verkleidet und verputzt.
Im Aufenthaltsraum wurden Balken und Dielen verlegt. Dabei war es nicht immer einfach, das notwendige Material heranzuschaffen und so wurden auch so manche krummen Dinger gedreht. Aber auch der Sport kam nicht zu kurz. Durch Lothar Schattke wurden viele schöne Wanderfahrten organisiert. Für den Wettkampfsport hatte Erwin Weinschenk 4 neue Slalomboote der Firma Thiele gekauft. Es konnte auch hier losgehen. Die dazu benötigten Torstangen wurden im Kühl und Schankanlagenbau hergestellt und im Bootshaus mit der nötigen Farbe versehen. Das Drahtseil zum Aufhängen der Tore wurde vom Flugplatz Leumnitz beschafft. Die Bäume für die Ausleger der Tore wurden im Wald bei Zossen gefällt und als Floß auf der Elster zum Bootshaus transportiert. Es entwickelte sich ein reger Trainingsbetrieb wobei auch einige Wanderfahrer einen wichtigen Teil beitrugen, indem sie sich als Tor und Kampfrichter qualifizierten. In den Wintermonaten konnten wir einmal wöchentlich das alte Hallenbad zu Kenterübungen und Verbesserung der Kondition nutzen. Im Herbst 1962 war es dann soweit, wir fuhren zu unseren ersten Wettkampf, nach Zwickau. Wir reisten mit der Eisenbahn an, die Thieleboote wurden auf Bootswagen mitgeführt. Wir waren nur 2 Starter, hatten aber jede Menge Fans mit. Hier erlebten wir, obwohl es ein Nachwuchswettkampf war, wie die Sportart Kanu- Slalom betrieben wurde und was zur Organisation eines Wettkampfes dazu gehörte. Hier hatten wir auch zum ersten mal Kontakt zu Rudi Landgraf, dem Vater dieser schönen Sportart. Bald kam nun der Wunsch auf, selbst einen Wettkampf zu organisieren. Außer Erwin Weinschenk hatten wir keinerlei Erfahrung. So fuhr Lothar Schattke und ich nach Zeitz zu den damaligen Vereinsvorsitzenden Günther Blech, der uns wertvolle Hinweise geben konnte. Es entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis, zwischen dem im Republikmaßstab und an Erfolgen großen Verein Zeitz und unserer jungen, aufstrebenden Sektion.
Sehr wichtig waren die Trainingslager und Wettkämpfe in Zwickau
Wir ermöglichten den Zeitzer Kanuten, unser Hallenbad mit zu nutzen, und konnten uns dadurch auch so manchen Tipp holen. Am 15. April 1963 veranstalteten wir den ersten Einladungswettkampf nach dem Neubeginn 1961. Die Strecke befand sich dort, wo schon in den 50er Jahren um Zeiten und Strafpunkte gekämpft wurde. Auch in der heutigen Zeit befindet sich die Wettkampfstrecke dort. Viele Vereine reisten mit ihren Nachwuchs an. Die Strecke wurde im allgemeinen unterschätzt und es gab viele Kenterungen. Am 27. September 1963 wurde dann der 2. Einladungswettkampf, offen für alle Klassen organisiert. So kamen nach und nach die Jugendlichen zum Verein, wie: Sylvia Arnold, Heidi Neudert, Inge Senftenberg, Willi und Wolfgang Möller, Günther Gruber, Siggi Neumann, Bernhard Krügel, Michael Rothe, Erni, Wulf und Uwe Reinicke, Manfred Richter, Peter Jahn, Wolfgang Ille, die 2 Gebrüder Gleisner usw. Der große Zulauf brachte aber auch Probleme mit sich. Es waren nicht genug Boote sowie Zubehör da und das Geld war knapp. Da vermittelte Norbert Kompalla, dessen Vater bei der Wasserwirtschaft beschäftigt war, den Job, Klärteich sauber zu machen. Alle kräftigen Leute konnten da mitmachen und der Lohn war der Wert eines neuen Bootes. Auch das Transportproblem zu Wettkämpfen konnte Norbert durch die Wasserwirtschaft lösen. Anfangs wurde mit der „Halbplane“ gefahren. Der Fahrer, (Recknagel) machte das für einen Freundschaftspreis. 1963 besorgte Erwin Weinschenk 3 neue Hartung Slalom Boote.
Aber immer noch reichten die Boote für Übungs- und Wettkampfbetrieb nicht aus. Da fingen wir an, Boote selbst zu bauen, aus Holzleisten und darüber Glasfasergewebe und Polyester. Die Zeitzer Sportfreunde liehen uns dazu einen sogenannten Block, über den die Holzleisten aufgenagelt wurden. Im Umgang mit Polyester und Glasfasergewebe hatte Gert Schmidt das größte Talent und Erfahrung. Die 10 Stk. selbstgebauten Paddel (Wäschestützen) bewährten sich nicht. Nun musste auch für den Transport der Boote ein Boots- wagen her. Lothar Schattke als Metallfachmann übernahm die Aufgabe und lies beim Schmiede- meister Braune in Heukewalde nach eigenen Angaben einen bauen. 1963 nahm der Verein zum ersten Mal wieder an Bezirksmeisterschaften teil. Sie fanden am 2. Juni auf der Mühlgrabenstrecke in Rudolstadt statt und ich qualifizierte mich für die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften der DDR am 6. und 7. Juli in Spremberg. Am 2. Mai 1963 nahm unser Verein am erstmals international ausgetragenen Wettkampf in Zeitz – Großosida auf der Weißen Elster teil. Die gesamte DDR Spitzenklasse, einschließlich der beiden Sportclubs war am Start, um sich noch einmal vor dem Internationalen in Zwickau zu testen. Die Weiße Elster hatte einen Pegel von 1,75 m über normal. An der Ausfahrt der Floßgasse war eine Walze entstanden, so das fast jedes Boot kenterte und nur nach einer Kenterrolle weiterfahren konnte. Der Wettkampf wurde unterbrochen, die Schotte etwas heruntergedreht und der Wettkampf neu von unten gestartet.
Die Schwallüberquerung war aber noch sehr schwierig. Umso bemerkenswerter war die Platzierung von Wulf Reinicke, der bei der männlichen Jugend Leistungsklasse II den ersten Platz mit 49 Punkten Vorsprung gewann. Erwähnens- wert wäre noch unsere Anreise zur Wettkampfstrecke. Wir fuhren mit unseren Booten von Gera nach Zeitz. Den Gepäcktransport übernahmen die Wanderfahrer. In der Slalom- Punktewertung verbesserte sich der Verein zum Vorjahr vom 49. Platz auf den 38. Platz, von insgesamt 55. Auch im Wasser – Wander- Sport machte der Verein Fortschritte. Waren es 1962 6 Sportfreunde die 3622 km paddelten, so kamen 1963 9 Sportfreunde auf 5803, was im Bezirksmaßstab den 3. Platz bedeutete. Viele schöne Wanderfahrten wurden, meist von Lothar Schattke, organisiert. Dabei entstanden zwei Traditionsfahrten. Die Frühjahrsfahrt auf der Weißen Elster und die Elbe- Fahrt im Oktober. Während die Elster- Fahrt eine ausgeschriebene Fahrt im Terminkalender des DKSV war und bis heute noch ist, handelte es sich bei der Elbe um eine Vereinsinterne Fahrt. So könnte man viele Fahrten aufzählen, wie die Winter-Sonnenwende in Schönburg, deren Ursprung eigentlich in Gera liegt. Die Saale – Fahrten auf vielen Teilstrecken, aber bevorzugt die Strecke Camburg-Weißenfels, mit Übernachtung im Bootshaus Schönburg. Einige Jahre war es der Spreewald und nicht zu vergessen, die Urlaubsfahrten mit Boot, Zelt, Kind und Kegel, meist nach Mecklenburg mit Endziel Pagelsee. Die jungen Slalomfahrer im Verein hatten einen enormen Ehrgeiz. Ein Teil von ihnen entwickelte sich so, dass sie bald mit der DDR Spitze mithalten konnten. Der Trainerrat der DDR, der ständig auf der Suche nach neuen Talenten war, wurde aufmerksam. Dabei durfte es nicht immer stures Training sein. Ganz wichtig waren die zahllosen Gammelfahrten, von Berga oder Plauen, mit und ohne Lagerfeuer, die sie zu einer verwegenen Truppe formte.
W a s s e r w a n d e r n
1967 gehörten Uwe Schattke und Wulf Reinicke der Junioren Nationalmannschaft an. Auf Grund meiner guten Arbeit als Übungsleiter wurde ich von der Nachwuchskommission des DKSV für die Betreuung der Delegation der Juniorennationalmannschaft nach Novy Sacz, Polen, nominiert. Bei den Deutschen Meisterschaften in Altenbrak auf der Bode, gab es für unseren Verein, damals noch Fortschritt Gera, sehr gute Ergebnisse. So wurde Wulf Reinicke (DHfK) sowohl im Slalom als auch im Wildwasserrennen Zweiter, im Wildwasserrennen mit nur 1sec. Rückstand. Uwe Schattke wurde beim Wildwasserrennen Dritter und beim Slalom Sechster. Wulf Reinicke wurde mit einer Leipziger Mannschaft Deutscher Jugendmeister Wulf Reinicke wurde zur DHfK delegiert und etwas später zum Kanadierfahrer umfunktioniert. Er zählte neben Jochen Förster und Jürgen Köhler zu den besten C1 Fahrern jener Zeit. Seine Sportlerlaufbahn endete 1971 mit der Erringung des Weltmeistertitels mit der Mannschaft 3 x C1 und der Erringung des Vizeweltmeistertitels in Meran. Nach der Siegerehrung verließ er die Mannschaft und flüchtete in die BRD. Heute lebt er mit seiner Familie in den USA. 1968 war, nach dem Neubeginn 1961, eines der erfolgreichsten Jahre. Nach der Delegierung von Wulf Reinicke 1967 zur DHfK, rückten die Jungs Bernhard Krügel, Siggi Neumann und Michael Rothe nach. Auch der junge Uwe Reinicke zeigte schon gute Ansätze. Bei den Deutschen Meisterschaften der DDR 1968 in Altenbrak gab es hervorragende Ergebnisse. Bei den Wildwassermeisterschaften der Jugend K1 erreichten Uwe Schattke den 2. Siggi Neumann den 8. und Michael Rothe den 10. Platz. Im Slalom erreichte Uwe Schattke den 4. Siggi Neumann den 5. Bernhard Krügel den 6. und Uwe Reinicke den 16. Platz. Am Start waren 59 Sportler aus 29 Vereinen. Im Rennen der männlichen Jugend 3 x K1 wurde Gera mit Schattke / Rothe / Krügel Deutscher Meister mit 0,9 sek. vor Zeiss Jena. Diese Mannschaft war bei allen Wettkämpfer der Saison 1968 ungeschlagen! Das Kuriosum dieser Meisterschaften war, das die 6 besten Jugendfahrer im Slalom, bei den Erwachsenen sowohl im Einzel als auch in der Mannschaft starten durften. Dabei erreichte Uwe Schattke hinter Bremer, Horn, Döring, Stolle und Klinder den 6. Platz von 53 Startern. Bei den Mannschaften errangen sie den 4. Platz. In der Sektionspunktewertung erreichte Gera das beste Ergebnis seit dem Neubeginn 1961, den 8. Platz. 1969 wurde Uwe Schattke zur DHfK delegiert. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften der DDR in Altenbrak erreichten Siggi Neumann und Uwe Reinicke mit dem Jenaer Müller im 3 x K1 einen 3. Platz. In der Sektions-Punktewertung erreichte Fortschritt Gera einen 12. Platz. Nachdem Uwe Schattke und Wulf Reinicke für die Nationalmannschaft der DDR aktiv waren, kamen auf die gleichaltrigen Mannschaftskameraden des Vereins wie Bernhard Krügel, Siggi Neumann, Michael Rothe, Günter Gleisner, Günter Gruber, Peter Jahn usw. andere Verpflichtungen wie Berufsausbildung, Studium auf sie zu. Auch die Mädchen spielten in dieser Phase keine unwichtige Rolle. Ein Generationswechsel kündigte sich an. In der zweiten Reihe standen die „Jungen“ wie Uwe Reinicke, Wolfgang Ille, Roland Oßmann usw. und nicht zu vergessen die Mädchen Sylvia Arnold, Heidi Neudert, Inge Sanftenberg usw. Ich erinnere mich gern an diese tolle Zeit und an die freudestrahlenden Gesichter der Jungs und Mädchen, wenn sie nach dem Kampf mit dem Wildwasser und den verflixten Torstangen siegreich waren, oder wenn sie nach verkorkstem Lauf enttäuscht waren und Trost brauchten. Auch ich war nach all den Jahren müde geworden. Oft stand ich allein auf weiter Flur und meine Familie hatte auch ein gewisses Recht auf mich. 1971 legte ich mein Amt als Übungsleiter nieder. Dem Kanu Sport aber bin ich bis heute treu geblieben. Mit den Wanderfahrern folgten herrliche Urlaubs – und andere Fahrten, wo meist die ganze Familie mit dabei war.